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Exposé „Starke Konzepte für mehr Adhärenz“
Auf dieser Seite stellen wir das Exposé unseres Buches vor. Sie können das Exposé aus als pdf-Datei lesen / downloaden. Das Buch erscheint Mitte des Jahres. Wenn wir Sie informieren sollen, wenn das Buch verfügbar ist, schicken Sie uns gerne eine Mail.

Einleitung
Es gibt mehrere Erkrankungen, von denen man sagt, sie seien Volkskrankheit Nr. 1 oder sie hätten das Potenzial, demnächst Volkskrankheit Nr. 1 zu werden.
Wir wollen die Liste der Anwärter um die Non-Adhärenz erweitern. Auf den ersten Blick handelt es sich dabei natürlich nicht um eine Erkrankung im eigentlichen Sinn. Aber Non-Adhärenz trägt viele Züge einer Volkskrankheit.
„Unbehandelt“ kann sie zu schweren Komplikationen mit Krankenhausaufenthalten führen; das Mortalitätsrisiko steigt rapide. Ein weiteres Charakteristikum ist, dass Non-Adhärenz dem Gesundheitssystem viel Geld kostet. Im Jahr 2013 hat die Ärzte Zeitung mangelnde Adhärenz in einem redaktionellen Beitrag als Milliardengrab bezeichnet. Das Einsparpotenzial bei den direkten Gesundheitsausgaben wurde darin auf 19 Milliarden Euro geschätzt; die indirekten Kosten (Produktivitätsverluste etc.) dürften mehr als doppelt so hoch sein.
Krankheiten entstehen, wenn Risikofaktoren Kipppunkte erreichen. Non-Adhärenz entsteht, wenn sich die Antwort gut anfühlt, aber die Frage falsch ist. Fragesteller sind in diesem Fall sowohl die Ärzte als auch die Patienten.
Ist dieser Patient adhärent? Diese Frage ist im Praxisalltag für einen Arzt schwer zu beantworten. Menschen neigen dazu, Fragen, die schwer zu beantworten sind, durch leichtere, aber falsche Fragen zu ersetzen. Deshalb werden viele Non-Adhärenzen nicht erkannt und nicht „behandelt“. Patienten ersetzen die Frage „Soll ich dieses Arzneimittel wirklich einnehmen“ häufig durch die Frage „Fühlt es sich gut an, wenn ich dieses Arzneimittel einnehme?“.
In unserem Buch beleuchten wir das Thema „Non-Adhärenz“ aus der Perspektive der Entscheidungen, die zu Non-Adhärenz führen und entwickeln aus dieser Perspektive neue Ansätze zur „Behandlung“ dieser Erkrankung.
Lorenz Kuske und Peter Jungblut
Unser Erklärungsansatz für Non-Adhärenz
Laut WHO ist Adhärenz das Ausmaß, in dem das Verhalten einer Person Medikamente einzunehmen, eine Diät einzuhalten und/oder Änderungen des Lebensstils durchzuführen mit den vom Patienten akzeptierten Empfehlungen des Gesundheitsdienstleisters übereinstimmt.
Der Begriff Adhärenz hat nach und nach den Begriff „Compliance“ abgelöst – zumindest im offiziellen Sprachgebrauch. Die Idee der Adhärenz ist,
dass Arzt und Patient gemeinsam Therapieziele festlegen und der Patient damit aktiv in die Therapieentscheidung einbezogen wird.
Der erwartete Effekt ist, dass der Patient die Therapiemaßnahmen konsequenter umsetzt.
Die Realität sieht anders aus. In einem Beitrag auf www.gelbe-liste.de sind wir auf die Aussage gestoßen, dass „bis zu 50%“ der Arzneimittel nicht oder nicht korrekt eingenommen werden. Der Autor gibt die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände als Quelle an. Das entspricht den Aussagen der WHO. Nach Angaben der WHO kann man bei nur etwa der Hälfte der Patienten von einer guten Adhärenz sprechen.
Die amerikanische Psychologin Pamela Kato bezeichnete mangelnde Adhärenz in der Publikation ihrer Adhärenzstudie als „das bestdokumentierte, aber am wenigsten verstandene gesundheitsbezogene Verhalten“.
Unser Ansatz ist die Betrachtung von Non-Adhärenz als Patientenentscheidung. Wenn ein Patient das vom Arzt verschriebene Arzneimittel nicht oder nicht konsequent einnimmt, geht diesem Verhalten immer die Entscheidung voraus, genau das zu tun. Aus dieser Perspektive heraus bieten die Wissenschaften, die sich mit der Frage beschäftigen, wie Menschen Entscheidungen treffen, einen plausiblen Erklärungsansatz.
Allen voran die Prospect-Theorie des Nobelpreisträgers Daniel Kahneman. Deren Ansatz ist, dass Menschen deshalb irrationale Entscheidungen treffen, weil die Grundlage ihrer Entscheidung, nämlich die Bewertung von Informationen, durch subjektive Wahrnehmungen, Weltanschauungen und Emotionen beeinflusst, bzw. verzerrt wird.

Mangelnde Adhärenz ist tatsächlich ausgiebig dokumentiert. Vor allen die zahlreichen Studien und Metaanalysen über die Effizienz von Konzepten zur Verbesserung der Adhärenz zeigen eher ernüchternde Ergebnisse. Das liegt unseres Erachtens daran, dass der Ansatz „Adhärenz als Patientenentscheidung“ bisher weitgehend unberücksichtigt blieb. Es wird informiert, motiviert, appelliert, an die Einnahme erinnert.
Schnelles Denken, langsames Denken
Wenn ein Patient ein vom Arzt verschriebenes Arzneimittel nicht einnimmt, kann das eine bewusste Entscheidung oder es kann bestimmten Umständen geschuldet sein. Insofern unterscheidet man zwischen intentionaler und nichtintentionaler Non-Adhärenz.
Die nichtintentionale Non-Adhärenz hat meistens organisatorische (z. B. Vergesslichkeit) oder Convenience-Ursachen (schwieriges Handling des Arzneimittels). In solchen Fällen können Ärzte oder das medizinische Hilfspersonal häufig praktikable Lösungen anbieten. Dies setzt jedoch voraus, dass der Patient über die Hindernisse redet, die ihn von der Einnahme des Arzneimittels abhalten.
Häufig tut der Patient genau das nicht, auch wenn der Arzt ihn gezielt auf mögliche Probleme mit der Einnahme anspricht (was in der Sprechstunde häufig vergessen oder mit zu geringem Nachdruck passiert).
Das heißt, neben der Differenzierung zwischen intentional und nicht intentional sollte man auch zwischen offener und verdeckter Non-Adhärenz unterscheiden.
Leider gibt es in den meisten Studien keine entsprechende Differenzierung. Wir vermuten aber, dass die verdeckten Non-Adhärenz-Verhaltensweisen im Alltag von Ärztinnen und Ärzten am häufigsten sind.

Wie effektiv sind die etablierten Maßnahmen zur Verbesserung der Adhärenz?
So vielschichtig wie die Ursachen, so zahlreich sind auch die Ansätze zur Verbesserung der Adhärenz. Denn das Problem hat erhebliche Dimensionen. Non-Adhärenz führt nicht nur zu vermehrten Komplikationen und zu einer erhöhten Mortalität [10], sondern ist auch ein erheblicher Kostenfaktor [11]. Im Jahr 2013 hat die Ärzte Zeitung mangelnde Adhärenz in einem redaktionellen Beitrag als Milliardengrab bezeichnet. Das Einsparpotenzial bei den direkten Gesundheitsausgaben wurde darin auf 19 Milliarden Euro geschätzt; die indirekten Kosten (Produktivitätsverluste etc.) dürften mehr als doppelt so hoch sein.
Die Informationen in diesem Abschnitt basieren ausschließlich auf einer Übersichtsarbeit der Pharmakologin Jacqueline Hugtenburg, der Medizinerinnen Petra Elders und Lonneke Timmers der Adhärenzexpertin Marcia Vervloet und der Soziolin Liset van Dijk [12]. Die Kernaussagen der Publikation sind repräsentativ für die meisten anderen Metaanalysen.
Eine Grundsätzliche Kritik an den Studien zur Adhärenz besteht darin, dass in die Auswertungen auch Patienten mit einbezogen werden, die sich grundsätzlich adhärent verhalten, was die Aussagen zur Effizienz einzelner Maßnahmen einschränkt.
Die wichtigsten Kernaussagen der Publikation sind:
- … Mehrere Übersichten, die die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Förderung der Therapietreue zusammenfassen, haben jedoch gezeigt, dass nur die Hälfte der Maßnahmen mit einer signifikanten Steigerung der Therapietreue verbunden war, und noch weniger berichteten über eine Verbesserung der Behandlungsergebnisse.
- Selbst die wirksamsten Maßnahmen hatten nur bescheidene Auswirkungen, so dass trotz vieler Bemühungen kaum Fortschritte bei der Bekämpfung des Problems der Therapietreue erzielt wurden.
- Es scheint, dass es nicht nur eine Lösung für das Problem der Non-Adhärenz gibt, die alle Patienten betrifft, und dass ein maßgeschneiderter Ansatz erforderlich ist, der auf der Art und den Ursachen der Non-Adhärenz basiert.
Der eher bescheidene Erfolg von Maßnahmen zur Verbesserung der Adhärenz mag auch darauf zurückzuführen sein, dass sie nur bei der nichtintentionalen Adhärenz greifen, und in der Praxis werden sie in der Regel nur dann aktiviert, wenn der Patient offen über die Hürden, die ihn an der Einnahme des Arzneimittels hindern redet.
Weitaus häufiger dürfte jedoch die intentionale Non-Adhärenz sein. Wenn ein Patient eine große Skepsis gegenüber Arzneimitteln und gar nicht die Absicht hat, das vom Arzt verschriebene Arzneimittel konsequent einzunehmen, helfen die im folgenden beschriebenen Maßnahmen kaum weiter.
Die Ansätze zur Verbesserung der Adhärenz, die ich auf dieser Seite vorstelle wurden aus der Perspektive entwickelt, die Non-Adhärenz als Patientenentscheidung betrachtet. Der Fokus liegt darauf, dass die Patienten ihre Entscheidungen im Umgang mit Arzneimitteln reflektieren und bei Bedenken ihren Arzt ansprechen, statt das Arzneimittel eigenmächtig abzusetzen.
Quellen:
[1] Kato, P. M., Cole, S. W., Bradlyn, A. S., & Pollock, B. H. (2008). A video game improves behavioral outcomes in adolescents and young adults with cancer: a randomized trial. Pediatrics, 122(2), e305-317. doi:10.1542/peds.2007-3134
[2] https://www.gelbe-liste.de/nachrichten/medikamente-falsche-einnahme-patienten#:~:text=Die%20k%C3%B6nnten%20Sie%20darauf%20hinweisen,abgegebenen%20Arzneimittel%20nicht%20korrekt%20eingenommen.
[3] Sabaté, E. (hrsg.): WHO Adherence to Long Term Therapies. Evidence for action, Global Adherence Interdisciplinary Network., & World Health Organization. Dept. of Management of Noncommunicable Diseases. (2003). Adherence to long-term therapies : evidence for action. Geneva: World Health Organization.
[5] Jackevicius CA et al.: Prevalence, predictors, and outcomes of primary nonadherence after acute myocardial infarction. Circulation 2008; 117(8): 1028-36
[6] Rasmussen AA et al.: Patient-reported outcomes and medication adherence in patients with heart failure. Eur Heart J Cardiovasc Pharmacother 2021; 7(4): 287-95
[7] van Dulmen S, Sluijs E, van Dijk L, de Ridder D, Heerdink R, Bensing J. Patient adherence to medical treatment: a review of reviews. BMC Health Serv Res. 2007 Apr 17;7:55. doi: 10.1186/1472-6963-7-55. PMID: 17439645; PMCID: PMC1955829.
[8] Gurwitz JH, Glynn RJ, Monane M, Everitt DE, Gilden D, Smith N, Avorn J. Treatment for glaucoma: adherence by the elderly. Am J Public Health. 1993 May;83(5):711-6. doi: 10.2105/ajph.83.5.711. PMID: 8484454; PMCID: PMC1694682.
[9] Wolfram C, Stahlberg E, Pfeiffer N. Pa[ent-Reported Nonadherence with Glaucoma Therapy. J Ocul Pharmacol Ther. 2019 May;35(4):223-228. doi: 10.1089/jop.2018.0134. Epub 2019 Mar 21. PMID: 30897019; PMCID: PMC6533777.
[10] Laufs U, Böhm M, Kroemer HK, Schüssel K, Griese N, Schulz M. Strategien zur Verbesserung der Einnahmetreue von Medikamenten. Dtsch Med Wochenschr 2011; 136: 1616-1621
[11] https://www.aerztezeitung.de/Politik/Das-Milliardengrab-271005.html
[12] Hugtenburg JG, Timmers L, Elders PJ, Vervloet M, van Dijk L. Definitions, variants, and causes of nonadherence with medication: a challenge for tailored interventions. Patient Prefer Adherence. 2013 Jul 10;7:675-82. doi: 10.2147/PPA.S29549. PMID: 23874088; PMCID: PMC3711878.
Let’s Work Together
Initiative DIE GUTE PATIENTENENTSCHEIDUNG
Starke Impulse für mehr Adhärenz
Peter Jungblut
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