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Heuristiken – Abkรผrzungen beim Entscheiden.ย
Entscheidungen basieren auf Informationen. Die Gesamtheit der Informationen, die fรผr eine Entscheidung relevant sind, werden durch die Puzzleteile reprรคsentiert (vgl. Abbildung 4). Das Puzzle ist aber nicht vollstรคndig. Es fehlen Puzzleteile. Man kann die fehlenden Teile in 3 Kategorien einteilen:
- Informationen zu denen wir keinen Zugang haben,
- Informationen, die wir nicht beschaffen kรถnnen oder wollen,
- Informationen, von denen wir gar nicht wissen, dass es sie gibt.
Aber selbst von den Informationen, die wir haben, berรผcksichtigen wir nicht alle bei unserer Entscheidung. Die Entscheidungsforschung nennt dafรผr zwei Hauptgrรผnde. Der eine ist, dass die Anzahl der Informationen, die unser Gehirn verarbeiten kann, begrenzt ist. Der andere Grund ist, dass wir dazu neigen, Informationen bewusst zu ignorieren, die im Widerspruch zu unseren Grundรผberzeugungen stehen.

Informationslรผcken und mangelnde kognitive Ressourcen, alle verfรผgbaren Informationen bei der Entscheidung zu berรผcksichtigen, sind also Rahmenbedingungen beim Treffen einer Entscheidung. Deshalb hat unser Gefรผhl oft einen starken Einfluss. Es ersetzt Wissen und das Denken. Zu den bekanntesten Psychologen im deutschsprachigen Raum, die sich mit der Frage beschรคftigt haben, was Bauchentscheidungen sind, gehรถren Gerd Gigerenzer und Wolfgang Gaissmaier. Bei ihnen kann man dazu folgendes lesen [1]:
Wir verwenden den Begriff Intuition fรผr Urteile, die schnell sind, deren Mechanismen eventuell bewusstseinsfรคhig, keineswegs aber bewusstseinspflichtig sind, und die dennoch stark genug sind, um zu handeln. Unseres Erachtens lassen sich Intuitionen mit schnellen und einfachen Heuristiken beschreiben.
Der Begriff โHeuristikโ kommt aus dem Griechischen und heiรt soviel wie โich meineโ. Heuristiken sind eine Art Daumenregel des Gehirns fรผr Entscheidungen. Sie entstehen im Laufe unseres Lebens und speisen sich aus gelernten Erfahrungen. Heuristiken helfen uns, im Alltag bei lรผckenhafter Informationslage in kurzer Zeit hinreichend gute Entscheidungen zu treffen. Allerdings ist uns in der Regel nicht bewusst, dass wir heuristische Prinzipien anwenden.
Die Anwendung von Heuristiken (inzwischen sind zahlreiche Heuristiken erforscht) wird als eine der wesentlichen Fรคhigkeiten betrachtet, die zum รberleben der Spezies Mensch beigetragen hat. Heuristiken helfen uns, mit wenig Informationen in kurzer Zeit hinreichend gute Entscheidungen zu treffen. Wรคhrend in der Frรผhzeit des Menschen Informationen spรคrlich waren, werden wir heute geradezu mit Informationen รผberflutet. Dennoch ist unser Gehirn auch heute noch darauf konditioniert nach heuristischen Prinzipien zu urteilen. Ein Grund dafรผr liegt in der eingangs beschriebenen Problematik (vgl. Abbildung oben).
Die entscheidende Frage ist, ob und unter welchen Voraussetzungen man sich auf sein Bauchgefรผhl verlassen kann. Die Entscheidungsforschung gibt Antworten darauf. Die wichtigste sollte jeder Patient kennen: Das Bauchgefรผhl ist kein Kompass, der einem Menschen in allen Lebenslagen den Weg zur richtigen Entscheidung zeigen kann. Der Kompass funktioniert auf unterschiedlichen Erfahrungsfeldern des Lebens unterschiedlich zuverlรคssig. Ein erfahrener Arzt kann sich z. B. auf sein Bauchgefรผhl verlassen, wenn er eine Diagnose stellt. Er hat in seinem Leben viele Patienten mit dieser Erkrankung gesehen (das ist sein โAlltagโ). Er kann sich aber nicht unbedingt beim Kauf von Aktien auf sein Bauchgefรผhl verlassen.
Daraus folgt: Heuristiken sind gut fรผr Alltagsentscheidungen. Patienten sollten die Entscheidung, wie eine Erkrankung am besten zu behandeln ist, nicht ihrem Bauchgefรผhl รผberlassen. Ihr Gefรผhl basiert nicht auf Erfahrungen, sondern aus dem, wie sie gelesen oder gehรถrt haben. Sie gehen dem Denkfehler auf den Leim, den die Entscheidungsforschung als โemotionale Beweisfรผhrungโ bezeichnet. Eine Entscheidung fรผhlt sich gut an, also ist sie richtig oder sie fรผhlt sich schlecht an, also ist sie falsch.
Bauchentscheidungen sind also neuronale Daumenregeln, die sich durch Regeln beschreiben lassen. Die Entscheidungsforschung hat inzwischen eine Vielzahl dieser Heuristiken entdeckt, benannt und ausgiebig erforscht.
Nachfolgend fรผnf Beispiele, fรผr Heuristiken, die bei Patientenentscheidungen eine wichtige Rolle spielen, mit dem Hinweis darauf, in welche Fallen man bei der Anwendung der Heuristik tappen kann:
Verfรผgbarkeitsheuristik
Regel:
Wenn Du einen Sachverhalt beurteilen willst, nutze die Informationen / Beispiele / Ereignisse, die Dir spontan einfallen, bzw. die leicht verfรผgbar sind.
Falle:
Wir neigen dazu, uns bei der Bildung eines Urteils an Informationen zu orientieren, die leicht verfรผgbar sind. Insbesondere, wenn sie unsere รberzeugung bestรคtigen, geben wir uns ungern die Mรผhe, tiefer zu graben.
Ein Beispiel, wie Patienten diese Heuristik anwenden:
Kรผrzlich habe ich in der Zeitung gelesen, dass die รrzte viel zu leichtfertig Antibiotika verschreiben. Es gibt auch andere Mรถglichkeiten, meinen Infekt zu behandeln.
Affektheuristik
Regel:
Wenn Du Dich zwischen zwei oder mehreren Optionen entscheiden musst, wรคhle diejenige aus, die sich am besten anfรผhlt.
Falle:
Bei der Affektheuristik ist ein emotionaler Eindruck die Grundlage der Beurteilung. Das kann zu Verzerrungen bei der Nutzen- / Risikobewertung fรผhren.
Ein Beispiel, wie Patienten diese Heuristik anwenden:
Nachdem ich diesen Beipackzettel gelesen habe, habe ich kein gutes Gefรผhl, wenn ich mir vorstelle, dass ich die Augentropfen mein Leben lang jeden Tag einnehmen soll.
Simulationsheuristik
Regel:
Entscheide Dich fรผr die Option, von der Du Dir am besten vorstellen kannst, dass sie funktioniert / Dir am meisten bringt.
Falle:
Unsere Vorstellungskraft hat รผberhaupt nichts mit der Wahrscheinlichkeit zu tun, mit der etwas funktioniert oder ein Ereignis eintritt.
Ein Beispiel, wie Patienten diese Heuristik anwenden:
Dass dieses Arzneimittel schwere Nebenwirkungen hat, kann ich mir sehr gut vorstellen. Schlieรlich greift es ja sogar in das Immunsystem ein.
Reprรคsentativitรคtsheuristik
Regel:
Wenn Du einen Sachverhalt beurteilen willst, frage Dich, ob sich dieser Sachverhalt aufgrund von รhnlichkeiten einer Klasse von Sachverhalten zuordnen lรคsst.
Falle:
Wir suchen nach einer Kategorie, in die das zu Beurteilende passt. Der Urteilsfehler, der dabei lauert, ist, dass die Kategorie eben nicht reprรคsentativ fรผr den aktuellen Fall ist.
Ein Beispiel, wie Patienten diese Heuristik anwenden:
Gerda wurde genau dieses Arzneimittel verschrieben. Sie hat es รผberhaupt nicht vertragen. Diese Erfahrung werde ich mir ersparen.
Rekognitionsheuristik
Regel:
Wenn Du Dich fรผr eine von mehreren Optionen entscheiden musst, wรคhle diejenige, die Dir vertrauter vorkommt.
Falle:
Das Gute ist des Besseren Feind.
Ein Beispiel, wie Patienten diese Heuristik anwenden:
Warum sollte ich meine Depression mit einem verschreibungspflichtigen Arzneimittel behandeln? Beim letzten Mal hat mir Johanniskraut auch sehr gut geholfen.
Quelle
[1] Gigerenzer Gerd, Gaissmaier Wokfgang:โWie funktioniert Intuition?โ in: Evolutionรคre Sozialpsychologie und automatische Prozesse (pp.31โ49), Publisher: Lengerich: PabstEditors: Erich H. Witte, 2006
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Initiative DIE GUTE PATIENTENENTSCHEIDUNG
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