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Wie sieht die Risikowahrnehmung bei Arzneimitteln aus?
Der amerikanische Psychologe Paul Slovic gilt als einer der führenden Forscher auf dem Gebiet der Risikowahrnehmung. In einer seiner wichtigsten Studien bat er Probanden, ihre emotionale Grundeinstellung zu risikobehafteten Themen zu äußern, etwa zu den Themen „Konservierungsmittel in Lebensmitteln“ oder „die Arbeit von Chemiefabriken“. Menschen, die eine negative Grundeinstellung zu einer Technologie hatten, listeten mehr Risiko- als Nutzenaspekte auf, und umgekehrt [1].
Im zweiten Teil wurden die risikobehafteten Themen von den Versuchsleitern mit Kommentaren versehen. Das Ergebnis: Eine starke Betonung der Risiken führte dazu, dass die Teilnehmenden die Risiken noch höher einschätzten und den Nutzen noch geringer bewerteten (Waage rechts).
Spätestens seit Slovics Veröffentlichungen wissen wir, dass Menschen die Chancen und Risiken von Technologien nicht objektiv einschätzen.

Meine Gespräche mit Patienten haben immer wieder gezeigt: Je negativer die Grundeinstellung eines Patienten Arzneimitteln gegenüber ist, umso größer schätzt er die Risiken des Arzneimittels ein und umso geringer erscheint ihm das Risiko, das Arzneimittel nicht einzunehmen.

Analysen des Verhaltens von Verbrauchern zeigen, dass sich die Erkenntnisse aus Slovics Studie auch in der Gesellschaft widerspiegeln. Die Grafik unten zeigt exemplarisch an einem konkreten Beispiel das Ergebnis solcher Analysen: Ein erheblicher Anteil der Mitteleuropäer ist Arzneimitteln gegenüber grundsätzlich skeptisch gegenüber eingestellt. Sie versuchen immer die Einnahme von Medikamenten zu vermeiden. Deshalb drängt sich die Frage auf, ob in den Gesellschaften, wo die Menschen besonders kritisch gegenüber Arzneimitteln sind, die Betonung der Risiken von Arzneimitteln lauter und stärker ist als die Betonung des Nutzens. Zumindest in Deutschland werden die Verbraucher nur bei Zigaretten mehr auf das Thema „Risiko“ konditioniert als bei Arzneimitteln. Jede Arzneimittelwerbung endet mit dem Spruch „Zu Risiken und Nebenwirkungen …“. Menschen mit hohem Radio- oder Fernsehkonsum hören diesen Satz x-mal am Tag.

In der Grafik werden die Begriffe „Adhärenz“, bzw. „Non-Adhärenz“ verwendet. Adhärenz beschreibt, in welchem Umfang ein Patient die mit dem Arzt vereinbarten Therapiemaßnahmen umsetzt. Die genaue Definition laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) lautet: Das Ausmaß, in dem das Verhalten einer Person Medikamente einzunehmen, eine Diät einzuhalten und/oder Änderungen des Lebensstils durchzuführen, mit den vom Patienten akzeptierten Empfehlungen des Gesundheitsdienstleisters übereinstimmt.
Sicherlich ändert sich die Einstellung eines Befragten, wenn er zum Patienten wird. Dennoch liegt die Vermutung nahe, dass diese negative Grundhaltung gegenüber Arzneimitteln auch dazu beiträgt, dass Menschen die vom Arzt verschriebenen Arzneimittel nicht einnehmen oder eigenmächtig wieder absetzen. Es gibt allerdings keine verlässlichen Daten über die Adhärenzquoten in den einzelnen Ländern, insofern ist diese Vermutung reine Spekulation.
Das Problem zieht sich quer durch alle Krankheitsbilder, unabhängig von Schweregrad der Erkrankung. Für Herzinfarktpatienten konnte z. B. gezeigt werden, dass innerhalb von bis zu vier Monaten nach dem Infarkt nur etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Patienten ihr Rezept einlösen, mit rückläufiger Tendenz im weiteren Zeitverlauf [2]. Ähnliche Beobachtungen gibt es bei der Herzinsuffizienz. Unter Patienten, die zumindest zwei Rezepte nach der Erstverschreibung eingelöst haben, sind nach einem Jahr nur noch zwei Drittel in der Therapie; nach zwei Jahren ist es nur noch ein Drittel [3]. Für Glaukompatienten (die Erkrankung kann zum Verlust der Sehkraft führen, wenn sie unbehandelt bleibt) konnte gezeigt werden, dass viele Patienten ihre Augentropfen jeweils nur kurz vor dem Arzttermin einnehmen. Die Non-Adhärenzquote (die Quote der Patienten, die das Arzneimittel nicht oder nicht regelmäßig einnehmen) bei dieser Studie lag bei 30,3% [4]
Quellen:
[1] Slovic, P., Finucane, M., Peters, E. MacGregor, D.: „Risk as analysis and risk as feelings: some thoughts about affect, reason, risk, and rationality“, Risk analysis: An official publication of the Society for Risk Analysis
[2] Jackevicius CA et al.: Prevalence, predictors, and outcomes of primary nonadherence after acute myocardial infarction. Circulation 2008; 117(8): 1028-36
[3] Rasmussen AA et al.: Patient-reported outcomes and medication adherence in patients with heart failure. Eur Heart J Cardiovasc Pharmacother 2021; 7(4): 287-95
[4] Gurwitz JH, Glynn RJ, Monane M, Everitt DE, Gilden D, Smith N, Avorn J. Treatment for glaucoma: adherence by the elderly. Am J Public Health. 1993 May;83(5):711-6. doi: 10.2105/ajph.83.5.711. PMID: 8484454; PMCID: PMC1694682.
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Starke Impulse für mehr Adhärenz
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