Common Decision Making durch die Visualisierung der Entscheidung

Eine der bekanntesten Visualisierungmethoden ist das Mind Map Prinzip. Eine Mindmap ist eine visuelle Darstellung von Informationen, Ideen und Assoziationen rund um ein zentrales Thema. Sie wird auch als Gedankenlandkarte bezeichnet. Das Ergebnis der Visualisierung hilft unter anderem, Klarheit zu schaffen, Projekte zu organisieren oder Ideen zu entwickeln.
Ich habe eine Methode für die Visualisierung von Entscheidungen entwickelt. Auslöser war eine Fehlentscheidung als Patient, die mir beinahe das Leben gekostet hätte. Ich stelle zunächst die falsche Entscheidung vor. Anschließend zeige ich, anhand dieser Entscheidung, wie die Methode funktioniert. Danach diskutiere ich, wie die falsche Entscheidung mithilfe der Methode hätte verhindert werden können.
Meine Fehlentscheidung, die zur Entwicklung
der Methode geführt hat.
Ich war Inhaber und Geschäftsführers eine erfolgreichen Unternehmens. Durch falsche Entscheidungen geriet das Unternehmen in Turbulenzen, so dass ich Insolvenz anmelden musste. Nach meinen Neustart schlich sich eine Depression in mein Leben. Die Symptome fingen langsam an. Ich ignorierte sie. Doch je mehr ich sie ignorierte, umso stärker wurden sie. Meine größten Probleme waren meine Antriebsstörungen und meine Panikattacken. Mir war klar, ich gehörte sofort in die Klinik. Aber damit wäre mein wirtschaftliches Comeback, das ich ein Jahr nach der Insolvenz meines Unternehmens und dem Ende meiner Ehe versuchte. Ich würde zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit vor einem Scherbenhaufen stehen.
Also traf ich die Entscheidung, einen niedergelassenen Psychiater aufzusuchen und mir ein Antidepressivum verschreiben zu lassen, damit ich wieder genug Antrieb hatte, meine Kunden zu bedienen. Meine Idee war, dass die Symptome mit der medikamentösen Therapie in einigen Wochen zurückgehen würden. Ich wäre für meine Kunden weiter erreichbar, und niemand würde merken, in welchem Zustand ich war. Ich gab mir 4 Wochen, danach würde ich weitersehen. Ich verschwieg dem Psychiater meine Suizidabsichten und erhielt das ersehnte Rezept. In den folgenden 3 Wochen unternahm ich 3 Suizidversuche. Nach dem dritten erfolglosen Versuch begab ich mich endlich in eine psychiatrische Klinik.
Nach der Wiederherstellung meiner Gesundheit setzte ich mich intensiv mit der Frage auseinander, welche Fehler ich beim Treffen der Entscheidungen gemacht habe, die mein Unternehmen in die Insolvenz führten und mich auf den Tiefpunkt meines Lebens. In diesem Kontext habe ich auch nach einem Erklärungsmodell für meine Entscheidungen als Patient gesucht.
Das Health Belief Modell als Basis der Visualisierungsmethode.
Nachvollziehbar werden die Entscheidungen, die ich im Rahmen meiner Depression getroffen habe, mit Hilfe des Health Belief Modells. Die Entwicklung dieses Modells geht auf die amerikanischen Psychologen Becker und Rosenstein zurück. Es wird zur Analyse und zur Vorhersage des Verhaltens eines Patienten in Bezug auf seine Gesundheit verwendet. Das Health Belief Modell hat viele Parallelen zur Prospect Theorie von Daniel Kahneman, der dafür im Jahr 2002 den Nobelpreis erhalten hat. Die Prospect Theorie ist ein Erklärungsmodell für das Verhalten bei gemischten Entscheidungen. Gemischte Entscheidungen heißt, dass die Entscheidung sowohl zu einem Gewinn als auch zu einem Verlust führen kann. Die Tabelle zeigt einige Beispiele für gemischte Entscheidungen.
Was ich zu gewinnen hatte, war Symptomfreiheit, was ich zu verlieren hatte waren meine Kunden und damit meine Existenzgrundlage. Das mag sich pathetisch anhören, aber genau das habe ich damals empfunden.

Nach dem Health Belief Modell hängt das Verhalten von Patienten von zwei Faktoren ab:
- vom persönlichen Wert (Aspekt 1), den das Erreichen eines bestimmten Ziels für den Patienten hat (Aspekt 2) und
- der von ihm erwarteten Wahrscheinlichkeit (Aspekt 3), dieses Ziel durch eine bestimmte Handlung (Aspekt 4) zu erreichen.
Die Methode zur Visualisierung von Entscheidungen, die ich entwickelt habe, überträgt das Prinzip des Health Belief Modells in die rechts abgebildete Matrix. Um die Methode zu verdeutlichen, habe ich meine Entscheidung als Patient, die mir beinahe das Leben gekostet hätte, in der Matrix visualisiert.
Aspekt 4: Die möglichen Handlungen (Optionen)
Für die Behandlung meiner Depression kamen aus meiner Sicht drei Optionen infrage: Die stationäre Behandlung, die Behandlung in einer Tagesklinik und die ambulante Behandlung – jeweils in Kombination mit einer medikamentösen Therapie und Psychotherapie.
Aspekt 2: Die Ziele (Trigger)
Ich hatte zu dem Zeitpunkt, als ich den Psychiater aufsuchte, um mir das Rezept für ein Antidepressivum zu beschaffen, nur zwei Ziele: Die schnelle Reduktion der Symptome und dass ich für meine Kunden weiterhin erreichbar war. In der Matrix bezeichne ich die Ziele als Trigger. Trigger sind Faktoren, die eine Entscheidung beeinflussen, wie z. B. Ziele, Bedarfe oder Präferenzen.
Aspekt 1: Der persönliche Wert meiner Ziele
Welchen Wert die Ziele für mich hatten, wird durch die Gewichte ausgedrückt. Dazu habe ich 10 Punkte auf die beiden Trigger verteilt.

Aspekt 3: Die erwartete Wahrscheinlichkeit
Die Wahrscheinlichkeit, mit der ich erwartete, die Ziele mit den möglichen Handlungen zu erreichen, drückt sich durch die Werte in den orangefarbenen Feldern aus (entsprechend der Skala unter der Matrix). Der Wert 4 sagt, dass ich die Wahrscheinlichkeit einer schnellen Besserung der Symptome bei einer stationären Behandlung auf 80% einschätzte. Der Wert 2 in dem Feld daneben, sagt, die Wahrscheinlichkeit, dass ich für meine Kunden im Rahmen einer stationären Behandlung weiterhin erreichbar wäre und niemand etwas von meinen Problemen merken würde, lag aus meiner Sicht bei 40%.
Auf diese Art und Weise kann man berechnen, welche Option den größten Nutzen hat. Dazu multipliziert man die Gewichte mit den Bewertungen und addiert die Zielen (6,0 x 4 + 4,0 x 2 = 32). Insofern hatte die ambulante Option für mich den höchsten Nutzwert.
Die Anwendung der Methode im Dialog mit dem Patienten
Natürlich habe ich damals die Entscheidung nicht nach diesem Prinzip getroffen, sondern einfach „aus dem Bauch heraus“. Nachdem ich die Methode entwickelt habe, habe ich den Psychiater aufgesucht, der mir das Antidepressivum verschrieben hat. Mit dem Verschweigen meiner Suizidabsichten, habe ich ihn in eine unmögliche Lage gebracht. Denn erst sein Rezept hat mir den Antrieb gegeben, meine Suizidgedanken in die Tat umzusetzen. Viele Patienten mit Depression haben die Gabe, ihr Umfeld perfekt über ihren wahren Zustand zu täuschen. Psychiater wissen das natürlich. Aber kann man ihm einen Vorwurf machen, dass er mir das Antidepressivum verschrieben hat?
Ich habe mit ihm zwei Fragen diskutiert. Die erste Frage war, ob der Einsatz von VisuDEC bei mir zu einer anderen Entscheidung geführt hätte. Die zweite Frage war, ob die Matrix die Chance erhöht hätte, dass der Arzt meine Suizidabsichten erkennt. Der Psychiater hatte damals mit mir überhaupt nicht über Therapieziele gesprochen. Er hat sein Diagnoseprogramm durchgeführt, mir ein Medikament verschrieben und mit mir einen Termin zur Psychotherapie abgestimmt.
Wir haben durchgespielt, wie das Gespräch gelaufen wäre, wenn er meine Therapieziele thematisiert und wir die Matrix zur Visualisierung meiner Entscheidung genutzt hätten. Der obere Teil der Abbildung wäre das Ergebnis gewesen. Daraufhin fragte mich der Psychiater, was ich von dem Ziel „Minimierung des Therapierisikos“ halten würde. Wir haben es in die Matrix eingetragen.
An dieses Ziel habe ich damals überhaupt nicht gedacht, obwohl es so nahe liegt. Im Kontext mit dem Risiko, das mit der Einnahme des antriebssteigernden Antidepressivums verbunden ist, hätte dieses Ziel vermutlich auch damals für mich ein hohes Gewicht gehabt. Durch das Hinzufügen eines dritten Ziels und die neue Gewichtung ändern sich auch die Nutzwerte. Nun hat die stationäre Option den höchsten Nutzwert.
Im Nachhinein ist es schwer zu sagen, wie das Gespräch verlaufen wäre, wenn der Psychiater damals die Matrix genutzt oder zumindest mit mir über meine Ziele im Rahmen der Therapie gesprochen hätte. Ich hätte meine Suizidgedanken vermutlich immer noch nicht offenbart, aber mein Denken hätte eine ganz andere Richtung bekommen. Die untere Abbildung zeigt, wie ich aus heutiger Sicht damals die Matrix ausgefüllt hätte.
Der Psychiater jedenfalls nutzt seit dieser Zeit die Matrix. Denn sie führt den Patienten nicht nur strukturiert durch den Entscheidungsprozess, sondern durch die Visualisierung der Entscheidung erhält das Gespräch mit dem Patienten eine ganz andere Qualität.

Kritische Bewertung der VisuDEC Methode
Basis der VisuDEC Methode ist die sogenannte Nutzwertanalyse. Die Nutzwertanalyse ist eines der Instrumente, die die Entscheidungstheorie zur Unterstützung der Entscheidungsfindung bei komplexen Problemen entwickelt hat. Sie gehört zwar nicht zu den neuesten Methoden zur Unterstützung der Entscheidungsfindung, ist dafür aber leichter zu verstehen und anzuwenden als die komplexeren Alternativen.
Im deutschsprachigen Raum wurde sie durch den Wirtschaftswissenschaftler Christof Zangemeister (1976) bekannt. Die Nutzwertanalyse findet überall dort Anwendung, wo eine Beurteilung auf Basis mehrerer quantitativer und qualitativer Kriterien, Zielen oder Bedingungen getroffen werden muss, so etwa im Controlling, im Projektmanagement oder bei Auftragsentscheidungen. Die Grenzen ihrer Anwendbarkeit werden durch die Anforderungen an die Entscheidung bestimmt. Je wichtiger eine exakte Berechnung der Bewertungen bei der Entscheidung ist, umso weniger ist die Nutzwertanalyse geeignet.
Ich habe die Nutzwertanalyse für die Visualisierung von Patientenentscheidungen adaptiert und nutze sie dafür seit vielen Jahren. Der entscheidende Unterschied zu der ursprünglichen Idee der Nutzwertanalyse ist die Art der Bewertung der Optionen. Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen, das jeder kennt: Die Produktbewertungen der Stiftung Warentest.
Hier basieren die Bewertungen von Produktmerkmalen auf standardisierten Methoden. Bei der Visualisierung von Patientenentscheidungen basieren die Bewertungen auf den subjektiven Einschätzungen des Patienten, bzw. des Arztes. Das ist für den Zweck des Common Decision Makings völlig ausreichend. Denn es geht nicht darum, eine Entscheidung exakt zu berechnen, sondern dem Patienten zu helfen, sie strukturiert zu durchdenken und zu visualisieren. . Bei beiden Varianten wird die Entscheidung in so viele Einzelentscheidungen zerlegt, wie es Trigger (oder Produkteigenschaften) gibt und am Ende durch die Berechnung der Nutzwerte wieder zu einer Gesamtentscheidung zusammengesetzt.
VisuDEC Anwendungsfelder
VisuDEC steht als Papierversion und als digitale Applikation zur Verfügung. Die digitale Applikation hat den Vorteil, dass Sie die Nutzwerte automatisch berechnet werden. Das bedeutet auch, dass man mit den Werten „spielen“ und sehen kann, wie sich die Änderung von Gewichten und Bewertungen auf die Nutzwerte auswirken.
VisuDEC hat sich in der Praxis für folgende Anwendungen bewährt:
1. Common Decison Making
Wie in dem Beispiel gezeigt, können Sie VisuDEC im Adhärenzgespräch mit dem Patienten einsetzen und so den Patienten aktiv in die Entscheidung einbeziehen.
2. Interdisziplinäre Falldiskussionen
Das Ergebnis einer Falldiskussion ist im Idealfall die für den Patienten am besten geeignete Therapieentscheidung. Die Abbildung zeigt die Struktur der Visualisierung. Die Trigger sind in diesem Fall die Therapieziele der Therapeuten und des Patienten. Bewertet wird, wie gut oder mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Therapieoption zum Erreichen der Therapieziele beiträgt.

3. Entscheidungstrainer
VisuDEC kann auch für das Durchdenken eigener Entscheidungen oder für die Überprüfung bereits getroffener Entscheidungen genutzt werden. Auch Diagnosen sind Entscheidungen, bei denen die Visualisierung hilft, Fehler zu vermeiden. Die Abbildung zeigt die Anwendung von VisuDEC im Rahmen einer Diagnoseentscheidung. Kliniken empfehlen VisuDEC deshalb vor allem jungen Ärztinnen und Ärzten, um ihre Kompetenz im Rahmen von Diagnoseentscheidungen zu trainieren.

Mit VisuDEC arbeiten
Die Papierversion von VisuDEC können Sie hier kostenlos herunterladen. VisuDEC steht auch als digitale Version zur Verfügung. Sie hat folgende Vorteile:
- Die Nutzwerte werden automatisch berechnet.
- Sie können mit den Gewichtungen und Bewertungen spielen, um zu sehen, wie sich das auf die Nutzwerte auswirkt.
- das Ergebnis der Visualisierung kann gespeichert werden.
Die digitale Version von VisuDEC können Sie im Online Shop kaufen. Ich biete Trainings zur Anwendung von VisuDEC an. Nehmen Sie gerne Kontakt zur Terminabstimmung per Mail auf oder rufen Sie mich an (+49 176 4674 9713). In jedem Fall empfehle ich ergänzend das Booklet „COMMON DECISION MAKING durch die Visualisierung der Entscheidung“. Sie können es zum Preis von 12 Euro im Online Shop bestellen.
