Kreuzen Sie Ihre Lotto-
zahlen auch lieber selbst an?
Ein Motiv der Serie „Starke Impulse für gute Patientenentscheidungen“.
Der Text unter dem Motiv:
Im Jahr 1975 führte die amerikanische Psychologin Ellen Langer eine Studie durch, die weltweit Beachtung fand. Das Ergebnis der Studie war, dass Menschen ihre Gewinnchancen beim Lotto höher einschätzen, wenn sie die Zahlen selbst auswählen können. Ellen Langer entdeckte ein Phänomen, das die Entscheidungsforschung als „Kontrollillusion“ bezeichnet. Zahlreiche weitere Studien folgten. Andere Forscher haben z. B. gezeigt, dass Menschen die Wartezeit an einer Ampel leichter ertragen, wenn sie einen Knopf drücken können, auch wenn das keinen Einfluss auf die Schaltung der Ampel hat.
Eine Erklärung für die Kontrollillusion ist, dass sie uns hilft, besser mit der Unsicherheit umzugehen, der wir in der Welt, in der wir leben, nun mal ausgesetzt sind. Sie hat aber auch ihre Tücken – und die sollten Sie kennen. Denn die Kontrollillusion verleitet uns oft dazu, unnötige Risiken einzugehen. So zeigen Studien z. B., dass Broker mit einer erhöhten Kontrollillusion ihre Erfolge auf ihre guten Entscheidungen zurückführen, während sie Misserfolge als Effekt der Rahmenbedingungen interpretieren. Sie gehen größere Risiken ein und korrigieren Fehler oft zu spät.
Bei Patientinnen und Patienten ist die Kontrollillusion beispielsweise im Spiel, wenn sie mit einem Problem zu spät zum Arzt gehen („Unkraut vergeht nicht“) oder wenn sie ihre Arzneimittel zu früh absetzen.

Simon hatte Herzinfarkt. Das Rezept, dass er von seinem Kardiologen nach der Reha erhalten hat, lag wochenlang auf seinem Küchentisch. Erst nachdem er dieses Poster bei seinem Hausarzt gesehen hatte, löste er es ein und nahm das Medikament. Simon hat danach kontaktiert; ich habe mich mit Ihm getroffen.
Anmerkung: Simon wollte anonym bleiben. Deshalb haben wir Name und Foto geändert.
Autor: Peter Jungblut

Wenn Sie Ihre Entscheidung analysieren lassen wollen, schicken mir gerne gerne eine E-Mail. Ich nehme Kontakt mit Ihnen auf.
Simons Entscheidung
Simon ist 56 Jahre alt. 3 Monate vor unserem Treffen erlitt er einen Herzinfarkt. Die Ursache war eine Verengung in zwei Arterien, die den Herzmuskel versorgen. In der Klinik wurden ihm deshalb 2 Stents eingesetzt. Stents sind Gefäßstützen, die dafür sorgen, dass sich das Blutgefäß an der betroffenen Stelle nicht noch einmal verschließt. Nach der Entlassung aus der Klinik begab sich Simon zur Anschlussbehandlung in eine Rehaklinik.
Die ambulante Weiterbetreuung übernahm ein Kardiologe. Der verschrieb Simon das Medikament, das er bereits in der Rehaklinik erhalten hatte. Es sollte ihn vor einem weiteren Herzinfarkt schützen. Simon löste das Rezept nicht ein. Als er wegen einer Grippe seinen Hausarzt aufsuchte, sah er das eingangs dieses Kapitels abgebildete Poster und besuchte die Website der Initiative DIE GUTE PATIENTENENTSCHEIDUNG. Danach löste er das Rezept ein und rief mich an.

Simons Geschichte*
Ich habe das Medikament schon in der Reha nicht genommen. Der Beipackzettel ist eine einzige Warnung gegen die Einnahme. Das sieht auch ein Freund von mir so. Er hatte seinen Herzinfarkt vor 4 Jahren. Ihm wurde das gleiche Medikament verschrieben. Sein Rezept hat er bis heute nicht eingelöst. Er erfreut sich bester Gesundheit.
Auf der einen Seite hat mich der Beipackzettel total abgeschreckt, auf der anderen Seite habe ich auf der Website der Deutschen Herzstiftung gelesen, es sei wissenschaftlich bewiesen, dass die Teilnahme an einer kardiologischen Rehabilitation vor einem weiteren Herzinfarkt schützt.
Die Geschichte mit der Kontrollillusion auf dem Poster in der Praxis meines Hausarztes hat mich dann doch in Grübeln gebracht. Ich war wegen einer Grippe dort und habe ihn darauf angesprochen. Er fragte: Was glauben Sie, wie viele Patienten ich im Laufe der Jahre verloren habe, die der Kontrollillusion auf den Leim gegangen sind. Das hat gesessen!*.
* Mit dem Begriff „Geschichte“ fasse ich zusammen, wie ein Interviewpartner seine Entscheidung begründet. Warum das für die Analyse der Entscheidung wichtig ist, wie die Geschichte entsteht und wie aus einer Geschicht eine Entscheidung wird, erfahren Sie hier ->.
Die Visualisierung von Simons Entscheidung
Die Visualisierung von Entscheidungen ist ein Verfahren, dem Sie vielleicht schon begegnet sind, wenn Sie sich die Geschichte eines anderen Patienten angeschaut haben. Zur Visualisierung von Entscheidungen nutze ich die nachfolgend abgebildete Matrix. Sie können sie kostenlos herunterladen. Wenn Sie dem Link folgen, finden Sie auch eine ausführliche Beschreibung.
Die Matrix hat üblicherweise 6 Felder für Trigger und 6 Felder für Optionen. In Simons Fall war die Visualisierung sehr übersichtlich, wie die Abbildung zeigt.
Im ersten Schritt habe ich Simon nach den Triggern gefragt, die bei seiner Entscheidung eine Rolle gespielt haben. Trigger sind z. B. Ziele, Wünsche oder Bedarfe. Es sind die Faktoren, die unsere Entscheidungen beeinflussen. Simon nannte nur die Trigger „weiteren Herzinfarkt vermeiden“ und „keine Arzneimittelrisiken eingehen“. Anschließend bat ich Simon, seine beiden Trigger durch die Verteilung von 10 Punkten zu gewichten. Die Gewichtung entscheidet, welchen Einfluss ein Trigger auf die Entscheidung hat. Der dritte Schritt ist die Definition der Optionen. In diesem Fall gab es nur die beiden Optionen „das Arzneimittel einnehmen“ und „das Arzneimittel nicht einnehmen“.
Nun sollte Simon die Optionen anhand einer Skala von 0 bis 5 bewerten. Der Wert 4 in Feld A bedeutet: Simon schätzt die Wahrscheinlichkeit, keinen weiteren Herzinfarkt zu erleiden, wenn er das Arzneimittel einnimmt, auf 80%. Genauso sicher ist er jedoch, keinen weiteren Herzinfarkt zu erleiden, wenn er das Arzneimittel nicht einnimmt (Feld C). Sein zweiter Trigger ist die Vermeidung von Arzneimittelrisiken. Dass die Nichteinnahme des Arzneimittels diesen Wunsch voll erfüllt, ist selbstverständlich und drückt sich durch den Wert 5 in Feld D aus. Der Wert 2 in Feld B bedeutet, Simon ist sich ziemlich sicher, dass ihm das Arzneimittel schadet (dass es nicht schadet erwartet er nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 40%).
Wenn alle Felder ausgefüllt sind, können die Nutzwerte der Optionen berechnet werden. Die Nutzwerte drücken aus, welchen Nutzen eine Option für den Patienten hat, in Abhängigkeit von seinen persönlichen Erwartungen (Triggern), deren Wert (Gewichten) und seiner Bewertung der Optionen. Bei der Berechnung der Nutzwerte werden die Gewichtungen mit den Bewertungen multipliziert, und die Werte der Zeilen werden addiert
(z. B. 6,0 x 4 + 4,0 x 2 = 32,0).
Die Abbildung zeigt, warum Simon die Entscheidung getroffen hat, das Arzneimittel nicht einzunehmen. Die Nichteinnahme hat nach seiner subjektiven Einschätzung einen höheren Nutzen für ihn als die Einnahme.

Die Analyse von Simons Entscheidung
Simon ist mit seiner Entscheidung, das Rezept mit dem Arzneimittel nicht einzulösen, das ihn vor einem weiteren Herzinfarkt schützen sollte, nicht alleine. Eine Studie der kanadischen Pharmazeutin Cynthia Jackevicius zeigt z. B. dass innerhalb von bis zu vier Monaten nach dem Infarkt nur etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Patienten ihr Rezept einlösen, mit rückläufiger Tendenz im weiteren Zeitverlauf [1].

Simon hat also die Entscheidung getroffen, das Arzneimittel nicht zu nehmen. Die Frage ist, warum etwa ein Drittel bis ein Viertel der Patienten zu der gleichen Entscheidung kommen, während zwei Drittel bis drei Viertel genau das Gegenteil entscheiden, ihr Rezept einlösen und das Medikament einnehmen.
Ein entscheidender Grund dafür liegt meines Erachtens in der Art und Weise, wie Menschen Risiken bewerten. Der amerikanische Psychologe Paul Slovic ist einer der Pioniere auf dem Gebiet der Erforschung der Risikowahrnehmung. In einer seiner wichtigsten Studien hat er gezeigt, dass Menschen die Risiken von Technologien nicht objektiv bewerten, sondern dass ihre Bewertung von ihrer Grundeinstellung gegenüber der Technologie abhängt. Außerdem hat er gezeigt, dass sich diese Grundeinstellung durch Informationen effektiv verstärken lässt. Mehr dazu finden Sie hier ->.
Slovics Studie war ein wichtiger Meilenstein bei der Entdeckung und Erforschung der sogenannten Affektheuristik.
Heuristiken sind Daumenregeln unseres Gehirns, die wir bei der Beurteilung von Informationen oder beim Treffen von Entscheidungen anwenden. Sie helfen uns im Alltag hinreichend gute Entscheidungen zu treffen, ohne dass wir uns stundenlang mit dem Thema beschäftigen müssen und ohne alle Details kennen zu müssen. Bei der Affektheuristik ist der emotionale Eindruck für die Entscheidung ausschlaggebend. Simon hat eine eher negative Einstellung gegenüber Arzneimitteln und somit ein mulmiges Gefühl, wenn er daran denkt, dass er ein Arzneimittel über einen längeren Zeitraum einnehmen soll.

Ich habe Simon gefragt, wie er zu seinem Urteil über das Arzneimittel kam, dass der Arzt ihm verschrieben hat. Er konnte mir keine plausible Antwort darauf geben. Sein Hinweis: „Der Beipackzettel ist eine einzige Warnung gegen die Einnahme“ legt die Vermutung nahe, dass hier die Affektheuristik im Spiel war. Heuristiken sind hilfreich beim Treffen von Alltagsentscheidungen, für Simons Entscheidung sind sie eher kontraproduktiv. Mehr dazu finden Sie
hier ->.
Die Affektheuristik geht sehr oft einher mit der sogenannten „Selbstbestätigungsfalle“. Wir wollen Recht behalten und suchen nach Informationen, die unser Urteil bestätigen. Die Selbstbestätigungsfalle gehört zu einer Gruppe von systematischen Fehlern, denen wir beim Wahrnehmen, Denken, Urteilen und Erinnern auf den Leim gehen. Alles, was Patienten über Urteilsfehler wissen sollten finden Sie hier ->.
Simon hat tatsächlich vor allem nach Informationen gesucht, die seine Entscheidung bestätigen. Relevant dafür waren zum einen die Informationen, die er zu dem Arzneimittel zusammengetragen hat. Die Informationen, die für die Einnahme sprachen, hat er ignoriert oder als Manipulation der Pharmaindustrie bewertet.

Zum anderen spielte die Information, die er auf der Seite der deutschen Herzstiftung gelesen, hatte eine wichtige Rolle. Demnach schützt die Teilnahme an einer kardiologischen Rehabilitation vor einem weiteren Herzinfarkt.
Der Text auf der Website der Deutschen Herzstiftung dazu lautet [2]:
Viele wissenschaftliche Studien – in letzter Zeit fünf große Untersuchungen an über 12.000 Personen in Deutschland – haben gezeigt, dass die Wirkung der Reha nachhaltig ist. Die Studien zeigen, dass Patientinnen und Patienten, die an der kardiologischen Rehabilitation teilnehmen, etwa 40 bis 50 % seltener einen weiteren Herzinfarkt erleiden als Betroffene ohne Reha-Maßnahmen. Auch die Lebenserwartung kann durch eine Reha verbessert werden. Ältere Menschen profitieren von einer Reha genauso wie jüngere“, sagt Professor Dr. med. Bernhard Schwaab Mitglied im Vorstand der Deutschen Herzstiftung e.V. und Kardiologe an der Curschmann Klinik, Rehabilitationskrankenhaus für Kardiologie, Angiologie und Diabetologie, Timmendorfer Strand.
Simon hat die Information so interpretiert, dass die Teilnahme an einer kardiologischen Rehabilitation die Einnahme eines Arzneimittels ersetzt, was definitiv nicht der Fall ist. Diesen Rückschluss kann man aus diesem Text nicht ziehen – es sei denn, man geht der Selbstbestätigungsfalle auf den Leim und interpretiert die Information so, wie man es braucht.
Die Kontrollillusion – Verführerin zu unangemessenen Risiken
Was letztendlich den Ausschlag gab, dass Simon innehielt und seine Entscheidung überdachte und änderte, war der Impuls des eingangs gezeigten Posters. Das Poster thematisierte einen Urteilsfehler, der als „Kontrollillusion“ bezeichnet wird.

Simon googelte den Begriff und fand folgende Geschichte:
Im September 2015 erklärte Lucian Favre, der damalige Cheftrainer des Fußballvereins Borussia Mönchengladbach, seinen Rücktritt. Seine Mannschaft lag nach fünf sieglosen Spielen in Folge auf dem letzten Tabellenplatz. Bis ein geeigneter Nachfolger gefunden wurde, sollte der Amateurtrainer André Schubert die Mannschaft übernehmen. Die Mannschaft gewann das erste Spiel, bei dem er als Trainer auf der Bank saß. Der neue Mann auf der Trainerbank trug während des Spiels einen grünen Hoodie. Auch das zweite Spiel unter André Schubert wurde gewonnen. Wieder trug der Trainer seinen grünen Hoodie. Am 4. Oktober titelte die Süddeutsche Zeitung „Der grüne Hoodie bleibt“. Am 10. Dezember fragte die Bildzeitung: „Ist Gladbach etwa wegen der Kleider-Ordnung aus Europa geflogen?“ André Schubert, inzwischen längst von der Interims- zur Dauerlösung befördert, verzichtete in einem Spiel gegen Manchester City auf seinen grünen Hoodie und trug den in der Champions League empfohlenen Anzug. Seine Mannschaft verlor und flog aus dem Wettbewerb.
Simon fühlte sich ein bisschen wie André Schubert. Denn auch er hatte sich ein Ritual angewöhnt, das ihn vor dem nächsten Herzinfarkt schützen sollte. Das wurde ihm klar, als er von dem grünen Hoodie las. Simon ist Fußballfan und wusste nur zu gut, wie schnell Schubert seinen Posten als Cheftrainer wieder los war – trotz Hoodie.
Die Kontrollillusion wurde erstmals im Jahr 1975 von der amerikanischen Psychologin Ellen Langer beschrieben. Sie wies nach, dass Menschen ihre Gewinnchancen beim Lotto höher einschätzen, wenn sie die Zahlen selbst auswählen können. Andere Forscher haben gezeigt, dass Menschen die Wartezeit an einer Ampel leichter ertragen, wenn sie einen Knopf drücken können, egal ob das einen Einfluss auf die Schaltung der Ampel hat oder nicht. Gut zu beobachten ist die Kontrollillusion z. B. auch bei Würfelspielern: Sie neigen dazu, die Würfel stärker zu werfen, wenn sie hohe Zahlen erzielen wollen, und sanfter, wenn niedrige Zahlen gewünscht sind.
Seit Ellen Langer das Phänomen entdeckt hat, diskutieren Psychologen darüber, was sich die Evolution wohl dabei gedacht hat, als sie uns die Kontrollillusion bescherte. Nicht wenige Forscher verstehen sie als Strategie, mit der Unsicherheit umzugehen, der wir in der Welt, in der wir leben, nun mal ausgesetzt sind. Unsicherheit ist für uns schwer zu ertragen. Da wir im Grunde aber ahnen, wie dünn das Eis ist, über das wir täglich laufen, erfinden wir allerhand merkwürdige Bewegungen, von denen wir glauben, dass sie das Brechen des Eises verhindern.
Die Geschichte von André Schubert und seinem grünen Pullover steht für ein Verhaltensmuster, das in den unterschiedlichsten Facetten weit verbreitet ist. Dabei ist das Tragen bestimmter „glücksbringender“ Kleidungsstücke oder Accessoires noch die weitaus harmloseste Form. Wir finden sie bei Sportlern und deren Fans ebenso wie bei dem Manager, der bei seiner nächsten Präsentation wieder die Krawatte anzieht, die ihm schon beim letzten Pitch Glück gebracht hat.
Schon problematischer wird das Muster, das diesem Verhalten zugrunde liegt, wenn ein Patient glaubt, dass bestimmte Gedanken, spezielle Steine oder Gebete ihn wieder gesund machen. Dagegen ist grundsächlich gar nichts einzuwenden. Denn zweifellos ist Beten eine starke Energiequelle, und der feste Glaube, dass man eine Erkrankung überwindet, ist bestimmt nicht von Nachteil. Zum Problem kann es werden, wenn der Patient einen kausalen Zusammenhang zwischen dem eigenen Verhalten und dem erwarteten oder – wie bei André Schubert – tatsächlich eingetretenen Effekt vermutet oder gar davon überzeugt ist.
Die aus meiner Sicht interessanteste Studie zur Kontrollillusion wurde im Jahr 2003 von Mark Fenton-O’Creevy und Kollegen durchgeführt [3]. Die britischen Psychologen untersuchten die Effekte der Kontrollillusion bei Brokern und stellten einen Zusammenhang zwischen der Ausprägung dieses Urteilsfehlers und beruflichem Erfolg fest. Broker mit einer stärkeren Kontrollillusion schnitten u. a. beim Risikomanagement schlechter ab als die Vergleichsgruppe. Den Grund dafür sehen die Autoren der Studie darin, dass die Mitglieder dieser Gruppe positive Ergebnisse auf ihre guten Entscheidungen zurückführten und Misserfolge den Rahmenbedingungen zuschrieben oder als vorübergehende Abweichungen von der Norm interpretierten. Das eigentliche Problem dieser Bewertung waren allerdings weniger die Misserfolge als vielmehr die Tatsache, dass die Broker ihre Fehler nicht erkennen konnten / wollten und dementsprechend auch nicht rechtzeitig oder angemessen reagierten.
Zusammenfassung
Simon erlitt einen Herzinfarkt. Nach der kardiologischen Rehabilitation löste er das Rezept für das Medikament, dass ihn vor dem nächsten Herzinfarkt schützen sollte, nicht ein. Nach diesem Muster handelt etwa ein Drittel der Herzinfarktpatienten.
Simon hat seine Entscheidung damit begründet, dass das Arzneimittel große Risiken hat, insbesondere, wenn er es über einen längeren Zeitraum einnehmen soll und dass die kardiologische Rehabilitation nachweislich vor dem nächsten Infarkt schützt.
Die Denkfehler, die Simon dabei auf den Leim ging, habe ich ausführlich beschrieben (Affektheuristik und Selbstbestätigungsfalle). Entscheidend bei dieser Geschichte ist der Impuls, den Simon zum Umdenken motivierte. Studien zeigen, dass schon alleine das Wissen darüber das Risiko falscher Entscheidungen reduzieren kann [4]. Simon hat verstanden, dass er der Kontrollillusion auf den Leim geht, wenn er davon überzeugt ist, dass er kein Medikament benötigt, um den nächsten Herzinfarkt zu vermeiden. Die Kontrollillusion ist eine Verführerin zu unnötigen Risiken.
Quellen:
[1] Jackevicius CA et al.: Prevalence, predictors, and outcomes of primary nonadherence after acute myocardial infarction. Circulation 2008; 117(8): 1028-36
[2] https://herzstiftung.de/ihre-herzgesundheit/leben-mit-der-krankheit/reha
[3] Fenton O’Creevy, M., Nicholson, N., Soane, E., Willman, P.: „Trading on illusions: Unrealistic perceptions of control and trading performance“. Journal of Occupational and Organisational Psychology
[4] Jenkins MM, Youngstrom EA. (2016) A randomized controlled trial of cognitive debiasing improves assessment and treatment selection for pediatric bipolar disorder. J Consult Clin Psychol; 84: 323–33.