Nicht die Nonadhärenz ist das Problem, sondern das Schweigen der Patienten.
Rund die Hälfte der Bevölkerung hat eine grundsätzlich kritische Haltung gegenüber Arzneimitteln. Ursache ist meist eine emotionale Überbewertung von Risiken gegenüber dem Nutzen. Wird jemand aus dieser Gruppe zum Patienten, entsteht ein erhöhtes Risiko für Nonadhärenz – allerdings nicht sofort.
Zu Beginn einer Behandlung dominiert das Erkrankungsrisiko. Der Nutzen des Medikaments wird hoch bewertet, die Risikoabwägung fällt klar zugunsten der Therapie aus. Die Adhärenz ist in dieser Phase meist gut.
Das ändert sich im Verlauf der Therapie – besonders bei Erkrankungen wie Hypertonie, Diabetes oder Glaukom, die anfangs symptomlos verlaufen – aber tendenziell bei nahezu allen chronischen Erkrankungen. Das Krankheitsrisiko verliert subjektiv an Bedeutung, das Gesundheitsgefühl normalisiert sich, und die anfänglich hohe Nutzenwahrnehmung sinkt.
Gleichzeitig wirken im Alltag zahlreiche Impulse, die die kritische Grundhaltung wieder verstärken. Wir bezeichnen sie als „Nonadhärenztrigger“.
Wenn ihnen nichts entgegengesetzt wird, führen sie früher oder später zum Therapieabbruch. Die meisten Patienten schweigen – der innere Entscheidungsprozess, in dem sie sich befinden, bleibt für Arzt und Apotheke unsichtbar.